Aus dem zweiten Abschnitt: Merkwürdiges aus Tier- und Pflanzenwelt von Dr. Heß v. Wichdorff
"In einigen masurischen Forsten sind noch letzte Bestände des im Aussterben befindlichen Eibenbaums (Taxus baccata)
vorhanden.
So findet sich die Eibe vereinzelt in wenigen Exemplaren noch in der Borker Heide in den hohen bewaldeten Bergzügen zwischen dem
Goldapgar=See und dem Haazner Seegebiet. Die schönen, stets nur als Unterholz auftretenden, aber bis zu einer Höhe von 7 m
wachsenden, durch ihre tiefdunkelblaugrünen Nadeln von Ferne bereits im Fichtenbestande erkennbaren Bäume sind selten gerade
und hochgewachsen. Meist sind sie verkümmert, verbogen und krumm gewachsen und tragen alle Merkmale einer aussterbenden
Baumart. Immer aber bieten sie trotzdem mit ihren ölglänzenden dunklen Zweigen und dem dichten Nadelwerk einen
prächtigen Anblick. Bald einzeln, bald zu mehreren vereint, tretensie in den Forstbezirken Rogonnen ( vier Eiben im Jagen 34 - „Drei
Grenzen"), Walisko (zwei Eiben in den Jagen 207 b und 212 unmittelbar am Wege, eine weitere im Jagen 132) und Lipowen auf. Seit acht
Jahren sind sie von der Forstverwaltung sorgsam durch Auslichten des umstehenden Bestandes in ihren Lebensbedingungen gefördert
und durch Einzäunung geschützt und als Naturdenkmäler erhalten worden.
Diese Maßregel erweist sich um so nötiger, als Rehböcke mit Vorliebe an Eibenstämmen fegen, worunter diese stark leiden, ja eingehen können.
Übrigens ist die wilde Eibe durchaus nicht, entgegen anderweitigen Annahmen, unfruchtbar. Einige der ober erwähnten
Eiben, z.b. der hier nach vom Jahre 1906 aufgenommenen Photographie (Abb. 4)
abgebildete Baum, produzieren zweifellos Samen, wie aus dem zahlreichen jungen Anflug in ihrer Umgebung hervorgeht. Der
größte Eibenbestand Masurens -und zwar ebenfalls als Unterholz - ist in der Wensöwer Forst am Seesker Berg trotz
teilweiser Abholzung des Waldes noch erhalten; es sind dort noch etwa 50 Eiben erhalten. Auch im Westen Masurens birgt die Forst
Sorquitten ihrer noch eine größere Anzahl. Noch im Mittelalter muß die Eibe in Ostpreußen weit häufiger gewesen
sein; so berichtet Caspar Hennenberger 1595, daß in der Gegend von Preußisch-Eylau zu seiner Zeit das „wehrhafte Eibenholz"
besonders reichlich vorkam und weithin verführt wurde.
Wie geschätzt das harte und dabei recht biegsame braunrote Eibenholz auch viel später war, erfahren wir aus dem 1783 - 1785
erschienen Werke Fr. Samuel Bock's (Wirtschaftliche Naturgeschichte von Ost- und Westpreußen. Noch damals wurde es viel von
Tischlern zum Einlegen von Verzierungen an Schränken und Tischen, und von Drechslern zu geschnitzten und gedrehten
Kunstgegenständen (Kästchen, Stockknöpfen, Büchsen und Löffeln) verwendet. Die augenscheinliche
Beliebtheit und frühere reichliche Verarbeitung von Eibenholz hat wohl viel zum allmählichen Aussterben dieses interessanten
Waldbaumes beigetragen."