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Hochzeit

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Weihnachten

Aberglaube

Sitten und Gebräuche
Alle nachstehenden Buchauszüge wurden so abgeschrieben, wie sie vorlagen. Das hat zur Folge, dass das vertraute Schriftbild, das die Rechtschreibreform von 1901 mit sich brachte und das die meisten von uns noch als vertraut empfinden, gestört wurde. Aus Gründen der Authenzität habe ich auch offensichtliche Rechtschreibfehler nicht korrigiert. Ferner hoffe ich, dass Textstellen, die heute als politisch inkorrekt der Selbstzensur anheim fallen, bei niemandem ein falsche Bild entstehen lassen. Schräggestellter Text in Klammern sind Anmerkungen von mir.

Quelle

Aberglauben aus Masuren
Mitgetheilt
von
Dr. M. Töppen
(Separat=Abdruck aus der Altpreußischen Monatsschrift Königsberg 1867
Gedruckt bei Albert Rosbach

Die Hochzeit

Die Hochzeitsgebräuche der Masuren in den östlichen Gegenden sind mir (Töppen) ausführlicher geschildert von einem Manne, der dort früher Lehrer gewesen war, zuletzt aber sich in Kurken bei Hohenstein aufhielt, und so Gelegenheit fand, das Abweichende hier und dort genau aufzufassen (dem vor Kurzem verstorbenen Herrn Bercio). Ich gebe zunächst seine Schilderung, um dann einzelne abergläubische Gebräuche nachfolgen zu lassen.
Der Brautwerber, ein ältlicher, zuverlässiger, anständiger Mann, reitet eines Sonntags mit einem Kohlkopfe - die Werbungen finden meistens im Herbste statt - nach dem Hause, wo die Brautwerbung stattfinden soll. Er läßt denselben von seinem Pferd oder Ochsen anfressen, tritt dann in das Haus, knüpft nach der Begrüßung ein Gespräch an, zeigt im Laufe desselben den beschädigten Kohlkopf vor und spricht: Es ist eine Ziege oder Reh in unserem Garten gewesen, es ist eine Beschädigung an dem Kohlkopf vorgekommen, nun habe ich gespürt bis hierher und will das Reh sehen. Wenn er das gesprochen hat, weiß man schon, um was es sich handelt. Das betreffende Mädchen (welches übrigens seiner Zeit dem Brautwerber ein neues Hemd zu schenken pflegt), läuft weg auf die Lucht, wirft sich in Staat und wird dann hervorgeholt. Auch mit ihr unterhält sich der Brautwerber über die Beschädigung des Kohlkopfs. Sodann bespricht er mit den Eltern (denn die Mädchen haben darin kein Wort) seine Angelegenheit direct. Wenn ihm die Eltern Hoffnung geben, kommt er über acht Tage mit dem Bräutigam wieder. Da wird denn nun die Verlobung, Ausstattung und Aufbietung verabredet und ist die Aufbietung erst erfolgt, dann geht die Verlobung nicht leicht auseinander. Sonntag vor der Hochzeit müssen die Brautleute communiciren, die Braut mit dem Kranze geschmückt, daß jeder gleich sehen kann, daß es eine Braut ist. Jede Hochzeit wird in den Gegenden bei Oletzko, Lyck ec. am Freitag gefeiert;.(in Kurkenan der ermeländischen Grenze, wo man die katholischen Fasten mit beobachtet oder berücksichtigt, ist dies nicht der Fall). Hochzeit

Die Einladung erfolgt am Sonntag vorher. Die Freunde und Nachbarn aus dem selben Dorfe werden durch einen proszek ( Bitter, Einlader), die auswärtigen durch einen oder zwei Platzmeister eingeladen. Der erstere ist in der Regel ein Angehöriger der Familie, oft ein Instmann derselben, und macht sein Geschäft zu Fuß gehend ab. Der Platzmeister ist ein jüngerer Mann, welcher mit Bändern reich geputzt herumreitet um seine Einladungen in den benachbarten Dörfern zu besorgen. Gegen 10 Uhr Vormittags versammeln sich die Gäste in dem Hochzeitshause, wo sie mit Musik empfangen werden und die Platzmeister ihnen mit Bier entgegen kommen. Wenn sie versammelt sind, wird ein kleines Frühstück, meistens aus Wurst bestehend, gegeben, und dann hat der Ortslehrer an die Braut eine Rede zu halten (dies geschieht im Ermelande, sowie in der nächstgelegenen Gegenden Masurens z.b. in Kurken durch den Platzmeister), auch werden einige Liederverse gesungen. Wenn nun nach der Kirche gefahren werden soll, so sitzen die Braut und die Brautmutter (swachna) neben einander auf einem Wagen, vor ihnen Brautjungfern. Man nimmt auf den Wagen einen guten Vorrath von Fladen, schon zerschnitten, mit, um unterwegs den Leuten auf der Straße die Stücke zuzuwerfen. Im Kruge des Kirchdorfs wird angehalten, auch getanzt bis die Glocken läuten. Von hier nach der Kirche wird zu Fuß gegangen. Nach der Trauung geht es zurück in den Krug, wo getrunken und getanzt wird, und zu Wagen weiter nach Hause, aber nicht sogleich in das Hochzeitshaus, in welchem jetzt Mittag angerichtet wird, und welches daher frei bleiben muß, sondern in das Haus der guten Frau (swachna), wo Schnaps und Bier getrunken, Kuchen gegessen und getanzt wird. Ist das Mittag im Hochzeitshause angerichtet, so kommt der Hochzeitsbitter (proszek) in das Haus der guten Frau, tritt in die Stube und schlägt mit dem Stock gegen den Balken, worauf die Musik schweigt und jeder stehen bleibt, wo er sich beim Tanzen eben befindet. Dann sagt er: Der Hochzeitsvater, die Hochzeitsmutter, das Ehepaar lassen grüßen und bitten nach dem Hochzeitshause zu kommen, oraz i zaras ( gleich auf der Stelle). Hierauf macht er kehrt, die Musik folgt ihm und die Hochzeitsgäste schließen sich paarweis an.

Die Platzmeister kommen dem Zuge mit Bier aus dem Hochzeitshause entgegen. Dann folgt die Mahlzeit, vor und nach welcher der Lehrer ein Gebet spricht; auch werden wieder einige Verse gesungen. Die Braut hat ihren Platz hinter dem langen, schweren Tisch, wo sie schwer zugänglich ist, und verläßt diesen Platz auch nach beendigter Mahlzeit nicht freiwillig, sondern wird von den jungen Leuten, oft mit einiger Anstrengung, „aus der Gemeinschaft der Jungfrauen" ( denn das Verfahren hat seine symbolische Bedeutung) von den selben hinter dem Tisch hervorgezogen. Ist dies gelungen, so fordert sie jeden männlichen Gast zum Tanze auf und tanzt mit allen. Das ist der Brauttanz, bei welchem die Musici extra bezahlt werden. Gegen Abend - oft ist es schon tiefe Nacht geworden, wird Gänsebraten, schon zerlegt, aufgetragen und gegessen. Wenn diese Mahlzeit vorüber ist, werden unzerlegte Gänse und Strüntzel aufgetragen, jede Gans und jeder Strüntzel in vier Theile zerschnitten, und jeder Gast hat das Recht ein solches Viertel nach Hause zu nehmen für diejenigen Angehörigen, welche zu Hause bleiben mußten. - Den nächsten Tag, Sonnabend, Vormittags um 10 Uhr muß der Platzmeister wieder auf dem Platze sein. Er nimmt die Musik mit und geht nun von Haus zu Haus durch das Dorf, um die vom vorigen Tage er müdeten Hochzeitsgäste wieder zusammenzubringen. Diese ziehen sich nun an und folgen ihm. Sobald einige zusammen sind, wird in jedem Hause, das sie betreten, und von wo sie einen Hochzeitsgast abholen, eine Weile geschmaust und getanzt. Der Haufe vergrößert sich mehr und mehr, bis endlich alle Hochzeitsgäste von dem Platzmeister geführt in dem Hochzeitshause wieder anlangen. An diesem Tage wird den angesehensten Frauen im Hochzeitshause etwas besonderes vorgesetzt: Schnaps mit Honig. Nachdem sie gegessen und getrunken, auch das Nöthige besprochen haben, setzen sie der jungen Frau die Haube auf. Nachdem dieses geschehen, nehmen sie sie in die Mitte und führen sie in den Tanzsaal, wo sie nun mit ihnen tanzt. Dadurch ist sie „in den Bund der Frauen aufgenommen"; man nennt die Feierlichkeit cepic´d.h. Mützenaufsetzen. - Am dritten Tage, dem Sonntage wird die Braut zum Bräutigam heimgefahren. Die Gäste versammeln sich Vormittag im Hochzeitshaus, wo gefrühstückt wird. Die Nachbaren stellen große vierspännige Wagen; auf dieselben wird aufgepackt, was die Braut als Mitgift mitbekommt; auch setzen sich auf dieseselben von den Gästen, Verwandten und guten Nachbaren so viele, als irgend auf denselben einen Platz finden, und so geht es nach dem Hause des Bräutigams. Dort wird abgeladen und der Rest des Sonntags, so wie der Montag unter Theilnahme der Nachbarn des Bräutigams verjubelt. (Oletzko, Lyck.)
Zum Ausputz der Hochzeitsbitter gehören besonders bunte Bänder und Papierblumen an der Mütze und zwei bunte Tücher, ein rothes und ein gelbes, an den beiden Schultern; die lange Peitsche, mit der sie vor den Häusern derer, die sie laden, bei ihrer Ankunft und beim Wegreiten tüchtig knallen, darf nicht fehlen. Sie holen die Gäste ab, tragen bei Tische die Schüsseln zu, sehen darauf, daß jeder zu essen bekommt und daß die Krüge voll sind. Sie halten auch die Collecte für die Musik und die Braut. Meistens ist der Hochzeitsbitter der Bruder des Bräutigams oder der Braut. Die Gäste bringen zur Hochzeit Kuchen, bisweilen auch Fleisch mit; wenn der Schnaps ausgetrunken ist, müssen sie für mehr sorgen. Nach der Hochzeit zieht die ganze Gesellschaft bei den einzelnen Gästen herum und läßt sich von jedem einzelnen traktiren. Dabei fassen junge Leute und Mädchen einander an den Händen und springen über die Straße. Eine gute Hochzeit muß wenigstens drei Tage dauern. (Klein Jerutten.)
Der festlich geschmückte Platzmeister reitet, in Masuren wie in Litauen, in die Häuser und Zimmer der Eingeladenen und spricht von seiner lebenden Rednerbühne herab die wohl eingelernte Einladungsformel. Am Tage der Hochzeit empfängt er die Gäste und muß das gewiß nicht leichte Geschäft übernehmen, bei der Tafel die Gesundheit jedes Einzelnen derselben mit geeigneter Anrede auszubringen. Jeder der Anwesenden aber, dem diese Aufmerksamkeit zu Theil wird, ist gehalten, in allen Stücken Bescheid zu thun. Daß bei solchen Gelegenheiten an Speisen und Getränken der größeste Ueberfluß herrscht, darf nicht erst bemerkt werden; auch nehmen die Schmausereien mit dem ersten Tage wohl kein Ende, sondern währen wohl acht bis vierzehn Tage, je nach der Anzahl der eingeladenen Gäste, welche sich nicht nehmen lassen, dem Gastgeber die Last der Bewirthung zu erleichtern. Es zieht nämlich die Gesellschaft von einem Hause zum andern und wird in jedem einen Tag lang bewirthet. Um das Vergnügen durch Abwechslung noch zu erhöhen, werden häufig Aufzüge und Verkleidungen vorgenommen, wobei es an Nachäffungen von Thieren in Gestalt und Stimme und dgl. nicht fehlt. (Drygallen im Kreise Johannisburg. bei Preuß, Preuß. Landeskunde S. 234f.)
Ausgelassene Fröhlichkeit herrscht bei Hochzeiten. bei denselben geht es sehr laut her. Die Mädchen lärmen ucd schreien vor purer Freude, daß sie kirschbraun werden. Die Hauptrollen spielen natürlich die Platzmeister, welche dem Zuge voranreiten. Erreichen sie auf dem Heimwege die erste Brücke, so hält der Kutscher des Brautwagens; dann heißt es: das Rad ist gebrochen! Schnell wird nun Geld zusammengelegt, um das selbe machen zu lassen. Hat ein jeder das Seine dazu beigetragen, so geht es im vollen Jagen weiter. Die Platzmeister eilen, so schnell als nur irgend möglich ist, nach dem Hochzeitshause, nehmen Brod, wickeln dasselbe in ein Tischtuch und bringen es der Braut entgegen. Die nimmt es in Empfang als Zeichen, daß sie in ihrem Leben stets Brod haben wird. Die junge Frau wird zu Hause gleich dreimal um den Ofen geführt, damit sie ihrem Manne nicht weglaufen könne. Ueber Tisch macht die Brautjungfer ihrem Platzmeister ein Geschenk, wobei sie folgende Worte spricht:„ Herr Platzmeister, ich komme vor dich getreten, weil ich von dir gebeten. Heute ist dein Ehrentag, weil ich dir ein kleines Geschenk bringen mag, halte das Geschenk fest, wie der Baum die Aest', wie die Glocke ihren Klang, wie das Wasser seinen Gang, wie der Mond seinen Schein, aufs Jahr sollst du wieder mein liebster Platzmeister sein." Der so Geehrte erwidert: „ Dafür thu ich mich bedanken, ich will es legen in meinen Schranken, ich will es in Ehren halten und meine Brautjungfer an die rechte Seite führen. Musikanten, Vivat hoch!" Dem ersten Brautführer liegt die Pflicht ob, die Feiernden durch einen poetischen Erguß zu erfreuen. Ein solcher würde übersetzt etwa so lauten:
„An dieser Hochzeit haben wir Gäste uns zahlreich versammelt; möge also das Herz eines jeden fahren lassen allen Kummer und anstimmen Lieder der Freude.Von dem Liedlein zu dem Gläschen ruft heute die Gemeinschaft. Vivat! so lange die Flasche voll ist, unsere Companie, Vivat! Die junge Ehe! Du junger Herr! Um des Wohlbehagens willen hast du die genommen eine Geliebte. Ich beneide dich auch nicht, mein Bruder, lebe mit ihr froh in deiner Hütte; ich liebe heut mein Gläschen. bei dem Käthchen, meinem Mädchen werd ich auch zur Zeit stehen. Ich will mich nur ein wenig stärken, daß ich den Fußsteg nicht fehle. Du junge Brautjungfer, trinke schnell; wer schmiert , der fährt. Das Waglein eurer Ehe wird darum nicht umwerfen, wenn es auch in die Wegpfützen hineinfährt. Es spült sich ab und fährt sich weiter, desto früher in den Gleisen. Darum trinkend schmiert den Wagen! Heute schlaft nicht, sondern tanzet; wir gehn im Sprunge hinter euch. Spielet auf, ihr Spielleute und Pflüger, da ihr Ohren und Füße habt. Sieh! einen Silbergroschen zur Verpflegung, sieh, schon werfe ich ihn klingend in das Glas! Spielt uns also ohne Besorgniß!"
(Hart.Ztg. No.9.)

Der Tod


Auch die Todtengebräuche glauben wir am Besten zu vergegenwärtigen, wenn wir eine Schilderung der Begräbnisfeierlichkeiten, wie wir sie dem schon oben erwähnten Herrn Bercio verdanken, vorausschicken. In den östlichen Gegenden Masurens ist der Leichenschmaus zwar in allgemeuinem Gebrauch, aber die Namen zarem oder stupa dafür nicht bekannt. Bei der Beerdigung, wie auch bei andern Feierlichkeiten, spielt der Schullehrer, namentlich in Dörfern, welche keine eigene Kirche, wohl aber einen eigenen Kirchhof haben, als natürlicher Vertreter des Pfarrers eine wichtige Rolle.
Von dem Tage, an welchem jemand gestorben ist, bis zu seiner Beerdigung, wird jeden Abend bei seiner Leiche gesungen. Dieser Gesang wird aber nicht bloß von den Hausgenossen ausgeführt, sondern es wird jemand im Dorfe herumgeschickt, welcher zum Singen bei der Leiche auffordert. Während des Singens wird hie und da auch Schnaps gereicht. An dem Beerdigungstage wird wiederum jemand durchs Dorf geschickt mit der Aufforderung zum Begräbniß: Kommt zum Begräbniß und das gleich." Sie kommen denn meist sehr zahlreich, die Frauen, welche es vermögen, in schwarzen Kleidern, alle mit weißen Schnupftüchern und mit Gesangsbüchern. In dem Sterbezimmer steht der große lange Tisch an seiner gewöhnlichen Stelle längs der einen Wand; rings herum Bänke und Stühle für die Männer; in der Mitte der Sarg mit der Leiche, die Füße gegen die Thür gerichtet; auf der andern Seite sind lange Bretter auf Stühle gelegt zum Sitzen für die Frauen. Männer und Frauen stehen oder sitzen also apart. Unter Leitung des Lehrers werden zwei lange Lieder gesungen. Dann werden Fladen und Schnaps für die Männer auf den Tisch gestellt, der Schnaps in Flaschen mit einem Glase, aus welchem sie die Reihe herum trinken. Für die Frauen wird Schnaps in eine Schüssel gegossen und ein Löffel dazu gegeben; Schüssel und Löffel gehen die Reihe entlang; jede der Frauen nimmt einen oder zwei Löffel voll, nach Bedürfniß; Fladenwird ihnen in einer weißen Schürze oder in einem Korbe herumgereicht. Diese Pause dauert etwa eine halbe Stunde. Dann werden abermals zwei Lieder gesungen, dann hält der Lehrer eine Trauerrede, in welcher die Tugenden des Verstorbenen erwähnt, dann im Namen desselben den Freunden und Nachbarn für den letzten Dienst, welchen sie ihm erweisen, Dank gesagt und von ihnen Abschied genommen, und allgemeine Ermahnungen an die gesammelten Anwesenden gerichtet werden. Nachdem das Amen gesprochen ist, wird wieder eine Pause gemacht, welche aber kürzer ist, als die erste, und wieder eine Stärkung genommen.

Unter dem Gesange:„ Wenn mein Stündlein vorhanden ist", wird die Leiche hinausgebracht und zum Kirchhof getragen (nie gefahren). Der Lehrer mit den Schülern und die Männer, welche singen, gehen vor der Leiche, die Leidtragenden unmittelbar hinter derselben, dann folgt die große Menge. Auf dem Kirchhof singt man:„ Nun laßt uns den Leib begraben."

Der Sarg wird auf dem Kirchhof noch geöffnet, der Todte zurechtgelegt, Abschied genommen, die Einsenkung vorgenommen. Der Lehrer singt die Todtencollecte ab, welche die Gemeinde beantwortet, und spricht dann noch einige Worte, zuletzt das Vaterunser, während dessen die Leidtragenden ringsum an dem Grabe knieen. Nachdem dann noch ein Vers gesungen ist, wird das Grab zugeworfen. Nun begiebt sich jeder zuvörderst nach Hause und verwahrt sein Gesangbuch, die Frauen ziehen die besseren Kleider aus und vertauschen sie mit weniger werthvollen; sodann versammeln sie sich im Sterbehaus zum Schmaus. Die von losen Brettern und Stühlen zusammengestzten Bänke werden nun auch an Tische geschoben, so daß die Frauen nun auch an Tischen sitzen können. Der Schnaps wird ihnen daher jetzt nicht, wie vorher in Schüsseln, sondern - mit Honig gemischt - in Flaschen vorgesetzt, wenn er nicht etwa noch erst gebraut und so mit Honig vermischt werden soll; dann heißt das Getränk przeparlauka (Brendel). Zu Mittag giebt es Fleischwerk, Fische, Kumst mit Fleisch, zuletzt dicke Grütze mit Honig begossen. Den Tag darauf kommen meist nur die Männer in dem Sterbehause zusammen, um etwa den Vater über den Verlust des Kindes zu trösten; sie verspeisen die Ueberreste und bringen den Tag mit Trinken bis zum Abend zusammen zu.

Quelle:

„Volksthümliches in Ostpreussen" von E. Lemke
Erster Theil, Mohrungen Druck und Verlag W.E. Harich 1884

Siebentes Kapitel

Weihnachten.

In das melancholische Bild, welches entlaubte Bäume und leere Felder geben, mischen sich zwar allmälig auch freudliche Farben: die junge Saat predigt vom neuen Jahre, vom nächsten Frühling; - aber bald sinken mehr und mehr Schneeflocken herab und verändern die Welt um uns her. Die Martinizeit (der 11. November) verändert gleichfalls ein Stück Welt um uns her; es ist die Zeit, da die Leute den Dienst wechseln, und leider nimmt das Wechseln von Jahr zu Jahr zu. Wenn endlich der Uebergang vom Herbst zum Winter vollzogenm wenn Alles „in seine Ruh'" gekommen ist, und wenn die Spinn-Abende immer länger werden erinnert man sich der von den Voreltern ererbten, für diese Zeit passenden Gebräuche und sinnt auf möglichst belustigende Ausführung. Da überstrahlt das Weihnachtsvorspiel „der Schimmel" alle übrigen Spiele und Späße.

Als ich zum erstenmal die Bekanntschaft des Schimmels machte, ward mir wirklich bange zu Muthe: ich nahm an, daß das Geschrei, welches zu unseren Ohren drang, mit einem Unglücksfall oder einer Rauferei in Zusammenhang stehe. Und dabei dieses unsinnige, beängstigende Stampfen und dieses erbarmungslos heftige Klingeln!

„Der Schimmel kommt! Der Schimmel kommt!" - Da ich unvorbereitet war, empfand ich, was gewiß recht belehrend war, Etwas von der Aufregung, welche um jeden Preis zu dem Festspiel gehört.

Die Ausführung geschieht auf verschiedene Art. Der Schimmel kommt entweder in Begleitung des Bären und anderer Figuren mehrmals in den Wochen vor Weihnachten, oder er erscheint vorläufig allein und er überläßt dem Bären und den Anderen, am vierundzwanzigsten Dezember in den s.Z. von ihm besuchten Häusern um Gaben zu betteln.

Hier ist die erstgenannte Art die bevorzugte. - Nachdem die Leute die Erlaubnis eingeholt haben, erscheint der Festzug auch im Herrschaftshause, d.h. nur in den Küchenräumen; und nun erfolgt die Bitte, die Herrschaften möchten zusehen. Sobald der Zug die Hausthür erreicht hat, rennen die Dienstmädchen kreischend in die Küche, wohin der Schimmel seine Schritte lenkt, und thun als suchen sie eine sicheres Versteck. Es ist aber auch für jeden Zuschauer überhaupt rathsam, einen geschützten Platz zu gewinnen, um nicht von den Masken unversehens gestoßen und gespießt zu werden.

Gewöhnlich kommt zuerst der Schimmel. Diese Figur wird von einem Manne ( oder einem großen Knaben) dargestellt und erinnert an Vielerlei, nur nicht an ein Roß, es sei denn, daß man den mit Häcksel oder Werg ausgestopften Kopf für ein Pferdehaupt gelten läßt. Außer diesem oft drastisch häßlichen Kopf gehören zur Darstellung des Schimmels zwei Siebe, die durch Stangen mit einander verbunden sind und mit Hülfe darüber gehängter weißer Tücher den Körper abgeben, und ein Flachsbündel, welches als Schwanz gelten muß. Die Stangen sind horzontal gerichtet, und zwischen ihnen steckt der Reiter. Es ist gewiß recht anstrengend, sich selber und den unbequemen Aufbau ringsum so zu bewegen, daß man das Bild eines unbändigen, beständig vor= und rückwärts tanzenden und springenden Pferdes gewinnt. Je toller und spaßhafter diese diese Figur sich benimmt, desto besser hat sie ihre Sache wahrgenommen. Der Reiter muß seinem Rosse ( oder vielmehr sich selber und den weißen Tüchern) unermüdlich Peitschenhiebe austheilen, wozu der Schimmelkopf mit komischer Gleichgültigkeit in die Luft starrt. Irgendwo wird dem Schimmel eine Klingel angehängt, die natürlich unablässig läutet. Ohne auf die Hülferufe zu achten, richtet das Unthier seine meiste Aufmerksamkeit auf die Geflüchteten. Im Uebrigen tanzt es, wie ein Cirkus=Pferd, in der Mitte der Küche. Die dazu nöthige Musik wird meist durch einen Harmonika=Künstler geliefert.

Die anderen Figuren tragen ihr Möglichstes zu dem lärmenden Jubel bei, und das immer mehr anwachsende Publikum betheiligt sich in gleicher Weise daran. Von den Erstgenannten sei zuerst des Bären gedacht! Der „Baar" hat wahrlich keine leichte Aufgabe. Ungefähr acht Bunde Erbsenstroh werden um einen Mann gewickelt, welcher auf Händen und Füßen kriechen und eine schwere Holzkette am Fuszilge weiterschleppen muß. Man sieht bei dieser Maske nur eine kolossale Menge Stroh; alles Uebrige ist unserer Einbildung überlassen. Der Bär bekommt viel Prügel und Fußtritte, muß brummen und mit scheinbarer Anstrengung aufrecht tanzen.

Auch einige der übrigen Masken erhalten herkömmlicher Weise reichlich Schläge u.s.w., so z.B. das Bettelweib, das einen Korb im Arme trägt und die Gaben für die kleine Gesellschaft in Empfang nimmt; ferner der Jude (mit langen schwarzen Haaren), der sich immer vordrängeln muß und viele insinnige Scheltworteempfängt. Dann sind da noch der Storch, der einen langen Schnabel, welcher wie die hölzernen Blumentopfgitter weiter und enger zu schieben ist, vor sich her trägt; der Schornsteinfeger mit seinen Attributen; „die Koß" (Ziege), die sich mit einer Schüttergaffel (siehe Glossar !) [Schüttergaffel f., die aus Holz gearbeitete Stroh=Gabel.] bewaffnet hat und recht wild um sich stoßen muß.

Jedes Haus, in das der Festzug kommt, muß Gaben liefern. In Bauerndörfern geht es dabei hoch her. Dort geht gewöhnlich der Bär, seltener das Bettelweib, am vierundzwanzigsten Dezember umher und erhält reichlich Speck, Würste, Fleisch und Brod u.s.w. Und „dann" sagt ein hiesieges Sprichwort, „hat die liebe Seel' Ruh"; - auf einen fetten Schmaus war's ja doch abgesehen, „denn" sagt ein anderes Sprichwort „Essen und Trinken hält Leib und Seel' beisammen".

Eine andere, jetzt fast ganz erloschene Sitte mit derselben Tendenz ist der „Brummtopf". Früher gingen in den Wochen vor Weihnachten zwei Burschen mit diesem musikalisch sein sollenden Instrument von Haus zu Haus.

Der Brummtopf bestand meist in einem Tönnchen (zuweilen auch in einem kleinen Butterfaß u.s.w.); der Bodenward durch ein „eingeklemmtes" Schaffell hergestellt. Durch die Wand desBrummtopfes wurden Pferdehaare gezogen, die beständig mit Wasserangefeuchtet werden mußten und hin und her gezogen wurden, was einen eigenthümlichen Ton erzeugte.
In diesem Brummen gehörten verschiedene Deklamationen. Am bekanntesten war (und ist noch heute [1884]):


Jetzt kommen wir herein
Ohn' allen Schein,
Ohn' allen Spott;-
EInen schönen guten Abend! (Morgen)
Das geb' Euch Gott!
Wir wünschen der Frau einen gold'nen Ring
Und über's Jahr ein kleines Kind;
Wir wünschen dem Herren einen gold'nen Tisch,
Und in der Mitt' eine Kanne mit Wein,
Daß der Herr und die Frau können lustig sein;
Wir wünschen dem jungen Herrn ein Pferd
Und an der Seite ein scharfes Schwert;
Wir wünschen der Köchin 'n rothen Rock
Und über's Jahr mit dem Besenstock;
Wir wünschen dem Knecht ein Häcksellad',
Daß er kann schneiden früh und spat;
Wir wünschen dem Jungen 'ne Geißel in der Hand,
Daß er kann jagen die Schwein' auf's Land.

Oder:

Wir wünschen der Hausfrau 'n gold'nen Tisch,
An allen vier Ecken 'ne gold'nen Fisch;
Wir wünschen dem Hausherren 'ne Kanne Wein,
Damit der Hausherr kann lustig sein;
Wir wünschen der Köchin 'n gold'nen Tisch,
An allen vier Ecken ein Scheuerwisch

Ferner:

Gebt mir ein Glas Bier,
Bleib' ich noch ein Weilchen hier!
Gebt mir ein Glas Wein,
So wird's mir gefällig sein!
Gebt mir ein Stück Speck,
So geh' ich gleich weg!

Und:

Dort in jener Eck'
Hängt 'ne Seite Speck;
Dort auf jenem Nagel
Hängt ein langer Zagel. (Wurst)

Heute wird der Brummtopf nur noch ausnahmsweise als Kinderspielzeug zur Weihnachtszeit hergerichtet, und die Kinder lernen zu ihrem eignen Vergnügen die darauf bezüglichen Gedichte.
Eine große Hauptsache bei dem Weihnachtsfeste bleibt selbstverständlich „Etwas zum heil'gen Christ bekommen", und da wissen selbst die ärmsten Leute ihren Kindern eine Freude zu machen.
Werden die Dorfkinder im Herrschaftshause bescheert, so lernen sie nicht nur Gesangbuchverse, Bibelstellen u. dgl. m. (-- am beliebtesten ist „O du fröhliche, o du selige Weihnachtszeit"--), sondern auch , ohne Rücksicht auf die anzusprechenden Personen, „Gedichte" folgender Art:

Guten Morgen (Abend), Herr Papa!
Und auch Frau Mama!
Hier steht Eu're Tochter Mariechen da,
Euch freundlich zu grüßen,
Eure Hände zu küssen.
Aber noch so klein,
Wenig ich versteh';
Es kann nicht anders sein,
Bis es besser geht.
Artig will ich sein,
Das versprech' ich Euch;
Kann Euch die erfreu'n,
Bin auch ich erfreut.

Und:

Die Weihnachtskerzen brennen hell.
-Mein Wünschen nun der Herrschaft schnell!
Sie wollen, ich soll folgsam sein;
Und damit will ich sie erfreu'n

Es freut sich der Weihnachtsmann,
Stets brings er schöne Sachen an,
Viel Spielzeug bringt er und noch mehr;
- Ach wenn doch immer Weihnacht' wär'!

In großen Dörfern und wol auch noch hier und da in einer kleinen Stadt ziehen die Kinder an den Weihnachtstagen umher und singen:
Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest,
Daß Sie froh und gesund das and're erleben!
Glück, Gesundheit wird Gott Ihnen geben,
Hier und dort das ew'ge Leben!

Natürlich ist es auch bei diesem „Umzug der Kinder" auf Gaben abgesehen.

Was den Aberglauben in Bezug auf Weihnachten anbetrifft, so ist Folgendes zu verzeichnen:
Am vierundzwanzigsten Dezember soll man nach Sonnenuntergang „das Häckselmesser verwahren".
An diesem Tage gehen „die Hexen" gern am Kreuzwege, um „Possen" (Unheil) anzurichten.

Bekanntlich heißen die Tage vom fünfundzwanzigsten Dezember bis zum fünften resp. sechsten Januar „die Zwölften"; für dieselben gelten nachstehende Bestimmungen: man darf während dieser Zeit keinerlei Beschäftigung mit Flachs haben, denn so viele Schäben (oder Schewen), d.s. die Abfälle von den Flachsstengeln, umherfliegen, so viel Läuse würde das Vieh bekommen; wird dennoch in einem Hause derartige Arbeit vorgenommen, so dürfen indeß diejenigen, welche sie thun, nicht in den Viehstall gehen.- Die Zwölften geben auch eine Art Kalender ab: das Wetter an diesen Tagen ist ein Hinweis auf das Wetter während der zwölf Monate des neuen Jahres; also der fünfundzwanzigste Dezember weisagt für den Januar, der sechsundzwanzigste Dezember für den Februar u.s.f.

„Nichts ausborgen" gilt auch für Weihnachten, zum Mindesten für den „heiligen Abend."

Aberglaube

in Masuren wird hier nur für den Kreis Oletzko behandelt. (Siehe da).


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