Holzhäuser | |
Nachfolgendes Kapitel IV wurde wörtlich übernommen. Der Authentizität wegen,
gilt das auch für Orthographie und Zeichensetzung. Ebenso wurde der nicht immer einheitliche Schreibstil der
Ortschaften übernommen (z.B. Rohgehnen - Rogehnen). Das Präsenz bezieht sich auf das Jahr der
Veröffentlichung, 1911. Die Bilder habe ich nach eigener Vorstellung ausgewählt und arrangiert. Im Orginal dominiert der Text. noch stärker. IV MasurenMasuren im jetzigen Verstande umfaßt die ehemaligen Landschaften Sudauen, Galindien und einen Theil von Nadrauen. Es ist ein Land voll malerischer Reize. Theils hügelig mit zahllosen, oft unter einander zusammenhängenden Seen, ist es von riesigen Wäldern bedeckt, die sich Meilen und Meilen weit ausdehnen. Hin und wieder öffnet sich eine Lichtung für ein kleines Dörfchen, etwas Wiese und Feld, aber gleich dahinter schließt sich der Wald wieder um das vergessene Stückchen Erde. Andere Gebiete kommen dann dazwischen, weite Strecken mageren, sandigen Bodens, so arm und unfruchtbar, daß sie das Land in seinem Durchschnitt zu einem wenig wohlhabenden machen. Seine Bewohner sind national gesinnt, treu an Deutschland und seinem Herrscher hängend, trotzdem sie die Sprache Polens sprechen und die slawische Abstammung in ihnen noch erkennbar ist, die in ihrer Art wie in ihren Erzeugnissen zum Ausdruck kommt. Ihr Bekenntniß ist das evangelische. Das Land ist, wie gesagt, fast durchweg arm. Aus dem Acker hebt der Pflug alljährlich neue Mengen von Findlingen, die soweit es geht, zu Bauzwecken benutzt werden, aber doch noch haufenweise am Wege liegen.Auch in Masuren sind bereits im 14 Jahrhundert von deutschen Kolonisten Straßendörfer, meist nach kulmischen Recht, angelegt. Das Schwergewicht der bäuerlichen Siedelungen ist doch aber immer bei der einheimischen, masurischen, Bevölkerung geblieben und tritt auch in der Dorfanlage überall zu Tage., die gelegentlich so unregelmäßig wird, daß der Karakter des Straßendorfes fast nicht mehr zu erkennen ist. Die Dörfer sind meist sehr groß und die Dorfstraßen von erheblicher Breite. Infolge der Dürre des Bodens werden sie aber nicht leicht zum Anger und deshalb in ihrer ganzen Breite befahren. In den wohlhabenden Dörfern haben sie wohl dann in der Mitte einen schmalen, gepflasterten Streifen. In den Fischerdörfern der Seeufer führt die Straße meist am Ufer hin, oft den litauischen Haffdörfern ähnlich, mit nur einer bebauten Seite. Die kleinen Fischergehöfte folgen dann zwanglos den Krümmungen des Sees, sodaß das Dorf eine ganz beträchtliche Längsausdehnung gewinnt. In den Bauerndörfern sind die einzelnen Hofstätten ziemlich schmal aufgetheilt und darum die Häuser fast immer mit der Giebelseite der Straße zugekehrt, in einzelnen Dörfern sogar ganz regelmäßig. Daneben bleibt dann nur noch Raum für die Einfahrt und höchstens einen kleinen Stall (Taf. 14, Fig 7). Im Süden des Landes findet sich auch eine Schrägstellung der Häuser dergestalt, daß von jedem Wohnhause auch ein Fenster der Langseite einen Ausblick auf die Dorfstraße gewinnt. Bei den kleineren Dörfern liegt auch wohl das Wohnhaus mit der Langseite an der Straße, eine Anordnung, die bei den Eigenkäthnergehöften häufig ist. Bei den größeren Gehöften liegt das Wohnhausfür sich an der Straße und erst in einiger Entfernung von ihm, hinter dem Gemüsegarten, der Wirthschaftshof. In ersterem ist der Platz für die Bienenstöcke, unter denen sich noch bis in die jüngste Zeit hinein die alten Klotzbeuthen nebenallen neueren Formen erhalten hatten. Der Wirthschaftshof ist gewöhnlich rechteckig und von den Wirthschaftsgebäuden rings eingeschlossen, deren Dächer nach der Hofseite zu häufig einen stärkeren Ueberstand haben als nach der Feldseite. (Taf. 14, Fig. 8, 13.) Dicht aneinander gereiht umgeben sie den Hof, sodaß eine ziemlich geschlossene Anlage, gelegentlich unter Mitbenutzung der anschließenden Wand eines Nachbargebäudes, erreicht wird. Die Entwicklung dieser Form aus einer älteren mit Einzelgebäuden ist aber noch wohl erkennbar. Es handelt sich nicht um größere, für mehrere Zwecke einheitlich entworfene Bauten, es sind vielmehr immer noch Einzelgebäude für die einzelnen Zwecke, mit frei vor= und zurückspringenden Fluchten, oft genug mit völlig selbständigen Umfassungswänden, lose aneinander gereiht und nur durch das gemeinsame Dach zusammengefaßt. (Taf.14, Fig. 4, 12.) Der mittlere Besitzer legt wohl sein einziges Wirthschaftsgebäude dem Wohnhause gegenüber, beide dem Giebel nach der Straße, dazwischen den kleinen Wirthschaftshof. Von der Dorfstraße sind sie durch den Obst= und Gemüsegarten getrennt, durch dessen Mitte hindurch der Zufahrtsweg führt (Taf. 15, Fig. 3). Die noch kleinere Wirthschaft vereint auch hier, wie überall im Lande, Wohn= und Wirthschaftsräumeunter einem Dache. Die Grundrißeintheilung und die innere Anordnung der Ställe und Scheunen ist die allereinfachste und weicht kaum von der litauischen ab. Auch die Wohnhäuser unterscheiden sich im Grundriß wenig von dem litauischen Bauernhause. Es ist die auch dort besprochene dreitheilige Form. Daß sie auch hier aus älteren, einfacheren Formen sich entwickelt hat, erhellt aus dem auf Tafel 14 mitgetheilten Beispiele, in welchem uns der Schritt vom zweitheiligen Grundriß zum dreitheiligen noch erhalten ist. Auf den besonderen Entwicklungsgang auch dieser älteren zweitheiligen Form wird bei der Besprechung des Oberlandes, wo eine geschlossene Reihe von solchen Beispielen zur Verfügung steht, noch näher einzugehen sein. In der fertigen Form des dreitheiligen Wohnhauses nimmt die Mitte auch hier ein Flur ein, der aber wesentlich schmaler ist, wie in Litauen. In ihm liegt die Feuerstätte, regelmäßig in der Form der polnischen oder schwarzen Küche. Ursprünglich ging der Flur auch hier von der Langseite des Hauses zur anderen durch (Taf. 15, Fig. 6), sehr häufig ist aber später der vom Haupteingang abliegende Theil desselben abgetheilt und anders verwendet (Taf. 14, Fig.4). Auf der einen Seite schließt sich die große Stube des Bauern an. Ihre Einrichtung ist die gleiche, wie in Litauen, nur pflegt sie den geringeren wirthschaftlichen Verhältnissen entsprechend noch einfacher zu sein als dort. Auch hier steht in der einen Ecke der große, von der Küche aus beheizte Ziegel= oder Kachelofen mit dem Backofen darunter. Neben der großen Stube liegt eine kleine Kammer, meistens nur durch eine dünne Bretterwand von ihr geschieden. Auf der andern Seite des Flures ist die Altsitzerstube,in welcher auch der Webstuhl zu stehen pflegt, und noch eine zweite, häufig als Vorrathsraum dienende Kammer. Die Altsitzerwohnung hat auch bisweilen noch eine eigene, etwas kleinere polnische Küche, an deren Stelle bei neueren Anlagen schon ein einfacher, besteigbarer Schornstein getreten ist. Wenn der hintere Theil des Flurs mit zur Küche verwendet ist, um diese etwas zu vergrößern, so bleibt der Herd doch immer in den vier Wänden der eigentlichen schwarzen Küche (Taf. 14, Fig.4). Der Leuchtkamin findet sich auch hier entweder in der Form einer einfachen, flachen Nische (Taf.14, Fig 4, 6), oder als eingebauter kleiner Herd (Taf. 15, Fig. 6 rechts), jedesmal mit Rauchabzug nach der polnischen Küche.
Der Dachraum ist vom Flur aus durch eine einfache oder eine Trittleiter
zugänglich. Sein spärliches Licht erhält er durch ein paar Schlitze in den Giebeln. Bei den fast immer
guten Grundwasserverhältnissen sind besondere Gebäude für die Keller selten. Meistens ist ein Theil der
Wohnstube oder der Küche unterkellert und die Oeffnung durch eine Fallthür geschlossen. Andere Licht= und
Luftöffnungen pflegen die Keller nicht zu haben. Daneben kommen für die Aufbewahrung des winterlichen
Kartoffelvorraths in den sandigen Gegenden Erdkeller in der allerursprünglichsten Art vor. Diese sind nichts
weiter wie Höhlen, die sich gelegentlich in ganzen Kolonien für eine Dorfschaft neben einanderfinden, und
für welche mit Vorliebe kleine Bodenerhebungen gewählt werden, die mit Baum= und Strauchwerk bestanden sind,
sodaß die Wurzel der Decke dieser Höhlen einige Festigkeit geben. Wo die Bäume fehlen, dienen dem
selben Zweck Reisig und Stroh. Mehrfach finden sich Häuser, bei denen insofern von der allgemein
gültigenGrundrißform abgewichen ist, als an der Straßenseite, bündig mit der einen Längswand,
in etwa 2/5 der Breite des Giebels eine kleine Kammer angebaut ist, die ein eigenes kleines Dach hat und mit ihrem
meist reich verzierten kleinen Giebel eine äußerstreizvolle Steigerung des Giebelmotives bewirkt (Gollupken,
Willkassen). Daß diese Häuser auf ansteigendem Gelände liegen und dadurch noch etwas aus der Umgebung
herausgehoben werden, erhöht noch das Anziehende der Anlage (Taf. 15, fig. 1-8).
Wie in Litauen sind auch in Masuren alle Gebäude eingeschossig. Auch die Konstruktion und Stärke der
Wände sowie das Dachdeckungsmaterial sind die gleichen. Hier wie dort beschränken sich auch die Licht= und
Luftöffnungen auf das Nothwendigste und richten sich, ohne besondere Rücksicht auf die Symmetrie der
Außenfronten, lediglich nach dem Bedürfnis der zugehörigen Räume. Etwa 2,20m über dem
gedielten Fußboden liegt die Balkenanlage aus ziemlich starken Hölzern mit reichlich (etwa 1,40m) großen
Balkenfeldern. Eine mit Lehm betragene Stülpdecke bildet den Abschluß gegen den Dachraum. Auf den
übergekämmten, profilierten Balkenenden liegt eine rechteckig behauene Fußpfette, auf welcher die weit
überragenden Sparren mit ebenfalls profilierten Köpfen aufgeklaut sind. Windrispen oder in jedem Sparrenfelde
von der Fußpfette nach dem nächsten Sparren in der Richtung des Giebels zu wirkende Streben und Hahnenbalken,
weit seltener Zangen an jedem Sparrenpaar, bilden die übrige überaus einfache Dachkonstruktion.
Rohr oder Stroh sind auch hier das Deckungsmaterial, zum Firstschutz dienen Strohpuppen, die vereinzelt auch in
Muster gelegt sind oder durch geknotete Schoofe ersetzt werden (Abb. 4, Fig. 9, Abb. 5, Fig .13, Taf. 14,
Fig 2, 8, 10, 12, 13). Daneben finden sich, allein oder sogar im Wechsel mit Strohpuppen auf der gleichen First,
Reithölzer aus einfachen Knüppeln (Taf. 15, Fig 5). Auf dem Dache liegt regelmäßig eine zum
Hauptschornsteine hinaufführende Leiter, entweder in der gewöhnlichen zweiholmigen Form (Taf. 14, Fig. 2)
oder mit nur einem Holme (Taf. 15, Fig. 5). Um mIßbräuchlichem Erklettern des Daches vorzubeugen, reicht
sie in der Regel nicht bis zum Erdboden, sondern nur bis zur Traufe hinab. Es ist die vielerorts sogar polizeilisch
geforderte Feuerleiter, welche es ermöglichen soll, bei etwaiger Brandgefahr durch Funkenausflug aus dem
Schornstein schnell an die gefährdete Stelle heranzukommen.
Die Leichtigkeit, mit welcher sich aus dem gegebenen Material, dem Holze, Schmuckformen herstellen lassen, hat auch
in Masuren eine reiche Auswahl derselben hervorgebracht. Der Stil des 17. Jahrhunderts, der überhaupt den
stärksten Eindruck im Lande hinterlassen hat, ist auch an der Volkskunst nicht ohne Spuren vorübergegangen.
Die Berührung blieb aber außerhalb des Berufshandwerks eine ziemlich oberflächliche. In allem
wesentlichen erhielt sich das rein Volksthümliche durchaus und bis zu einem solchen Grade, daß man bis
zum heutigen Tage nicht nur die Bauanlagen sondern auch die meisten Schmuckformen der einzelnen Stämme und
Einflußkreise sehr wohl unter einander unterscheiden kann. Während der Litauer eine reicher geschwungene
Linienführung und Ornamentik bevozugt, hält der Masure seinen einfacheren Lebensbedingungen gemäß
an einfacher herzustellenden, mehr geometrischen Formen fest. Er wendet seinen Schmuck fast ausschließlich bei
der vorderen, der Giebelseite des Hauses an und spart, wo es geht, an Holz und Arbeit. Dabei sind seine Formen sehr
reizvoll in ihrer straffen Gradlinigkeit und es ist kein Mangel an verschiedenartigsten Motiven der Zimmermannstechnik
sowohl wie bei der der Tischler. Wie groß auch die Freude an diesem Schmuck ist, sobald Zeit und Gelegenheit sie
erlauben, zeigt eine Stubendecke und eine Wandtäfelung in Willkassen (Taf. 15, Fig. 2, 4, 7) die der Besitzer sich
selbst nach seiner Muße herstellt. Die einzelnen Felder entstanden je nach dem er Zeit fand ein neues zu machen
und legen doch Zeugnis ab von der Gestaltungsfreudigkeit und einem stilistischen Empfinden des Volkes. Lauben im eigenlichen Sinne kommen nicht vor. In Dluggen findet sich allerdings an einem Hause eine solche, die dessen ganze Langseite einnimmt. Sie ist so tief, daß sie einen richtigen Vorplatz bildet, und eine Treppe führt aus ihr in den Garten hinab, der sie von der Landstraße trennt. Es ist dieses einzig dastehende Beispiel aber so augenfällig eine versprengte russische Anlage, daß sie hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt sein mag. Während die Giebellauben bei der litauischen Klete zum Schutz des Eingangs dienen, sind die masurischen ein reines Ziermotiv. Die Hölzsäulen stehen nur 60 - 80 cm. vor der Front, sodaß für den Aufenthalt von Menschen kein Raum bleibt, und ein Eingang findet sich in diesen Giebeln überhaupt niemals. Daß es sich nur um einen Schmuck handelt und nicht um eine Betonung des Hauseinganges, geht auch daraus hervor, daß sich sogar dort, wo die Gebäude der Straße ihre Langseite mit dem Eingange darin zukehren, gelegentlich beide Giebel in dieser Weise ausgebildet sind. Die Stützen setzen auf untergelegten Feldsteinen auf und sind oben in einen wagerechten Balken hineingeführt, den unteren Abschluß des eigentlichen Giebeldreiecks (Abb. 27).Ebenso häufig fehlt aber auch die Giebellaube (Abb 28, 29). Zur Verbindung von Stützen und Balken werden, ebenfalls abweichend von Litauen, ebenso häufig Knaggen wie Kopfbänder verwendet (Tafel 15, Fig. 21, 22, 24, 26-28, 31, 32, 34, 36). Diese Balken sind in der Regel profiliert, noch häufiger geschweift; das über ihnen aufsitzende eigentliche Giebeldreieck ist stets lothrecht und verbrettert.. Walme kommen nur bei den überhaupt sehr einfach behandelten Wirtschaftsgebäuden vor. Bis zur Hälfte oder etwas höher hinauf haben die Giebeldreiecke gern eine nach Art der Stülpschalung angeordnete lothrechte Verbretterung. Die unteren Enden der vorstehenden Bretter dieser Schalung, also jedes zweiten Brettes, sind bei reicheren Ausführungen noch einmal in einfacher Weise, etwa durch Hohleisenschnitte (Abb. 28, 29) verziert. Um diesen Giebeltheil herum, also an seinem oberen Abschlusse und unmittelbar unter den Windbrettern entlang laufen wieder profilierte Bohlen und ausgeschweifte Bretter. Hier im Giebel liegen auch die Lichtöffnungen für den Dachboden. Die nach oben noch verbleibende Spitze des Giebeldreiecks ist wieder anders, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle schräg, verbrettert und trägt einen weiteren karakteristischen Schmuck des masurischen Hauses, die aus einem vollen Holze hergestellte, reich geschnitzte Giebelstange. Der über Dach regende Theil derselben ist, fast stets allseitig bearbeitet, in wechselnden Formen als eigentliche Spitze ausgebildet. Darunter bleibt das Stück, welches die oberen welches die oberen Windbrettenden aufzunehmen hat, meist einfach viereckig stehen. Noch weiter nach unten geht die Stange bis über die ganze Länge des besprochenen obersten Giebeldreiecks hinab, wo ihr eigenartiges Schnitzwerk der Aufgabe des festen Anschließens an diese Giebelfläche geschickt angepaßt ist. Denn dieser untere Theil dient nicht lediglich zum Schmuck, sondern hat den konstruktiven Zweck, die auf ihn treffenden Enden der Giebelverbretterung aufzunehmen (Abb. 29; Tafel 15, Fig. 9, 10, 14, 17, 18, 20). Uebergangsformen von Giebelspitzen, die gelegentlich vorkommen und an die Grenzgebiete, besonders an Litauen anklingen, zeigt der Vollständigkeit halber ein Beispiel (Tafel 15, Fig. 19). Der Gang des Verfalls, der hier natürlich ein ähnlicher ist, wie überall in der Kunst, läßt sich deutlich verfolgen und an wenigen Beispielen darlegen, die deshalb hier auch einen Platz finden mögen. Zunächst tritt an die Stelle des Kreuzholzes in der Giebelspitze die Bohle, welche nur zweiseitig profiliert zu werden brauchte (Tafel15, Fig. 11). Dann wird auch die konstruktive Aufgabe vergessen und ein einfaches geschweiftes Brett ersetzt die nur in der äußeren Idee beibehaltene alte Form (Tafel 15, Fig.16). Weiterhin verweichlichen und verwässern die Formen vollständig. Das viel billiger herzustellende, nur mit Bohrer und Säge geschweifte Brett verdrängt die kräftigen, zimmermannsmäßig bearbeitete n, vollen Hölzer. Der auf den Giebel früher hinüberreichende Theil schrumpft zu einem einfachen Ornament zusammen (Tafel 15, Fig 12, 13), oder wird mit anderen billig und überladen geschweiften Brettern, die wegen ihrer geringeren Stärke im Gegensatz zu den frühren Arbeiten noch dazu schnell vergänglich sind, in einer Weise auf die Giebelverbretteung aufgelegt, die auf deren Konstruktion und Führung nicht die geringste Rücksicht mehr nimmt (Tafel 15, Fig. 15). Die alten, selbst verfertigten Holzverschlüsse, welche sich besonders an den Stallthüren noch häufig finden, entsprechen den auch sonst bekannten Formen (Tafel 16, Fig. 16, 17). Bei dem Beispiel aus Matzutkehmen ist der Bart des Schlüssels um den Stift, mit dem er am Griff befestigt ist, drehbar. Um den Schlüssel einführen zu können, wird der Bart in die Richtung des Griffes gedreht.Durchgesteckt klappt er hinunter und greift in die Zähne des Riegels ein, den man dann durch Drehen des Schlüssels zurückschieben kann. Bei der zweiten Form hat der Schlüssel in unserem Beispiel drei Bärte. Diese entsprechen drei Einschnitte des Riegels. In diese Einschnitte fallen in geschlossenem Zustande drei in dem festen Kloben sitzende kleine Riegel hinein. Will man öffnen, dann schiebt man den Schlüssel in den großen Riegel, hebt die drei kleinen Riegel durch Drehen des Schlüssels hoch und kann nun den großen Riegel herausziehen. Die Fenster erhalten ausgesägte, profilierte, oder geschnitzte Umrahmungen, deren Motive sogar an ein und dem selben Haus wechseln können (Tafel 16, Fig. 1-14). Die ältesten Thüren sind von einem flachbogig ausgeschnittenen Zargenholz überdeckt, bei größerer Pfeilhöhe der Bögen sind die Ecken zwischen den Zargen durch Kopfbänder oder Knaggen ausgefüllt (Tafel 15, Fig. 29, 30, 35). Die in der Mitte getheilte Thür herrscht vor, an ihrer Außenseite in reizvollen Motiven verbrettert. In neuerer Zeit schließt man die ziemlich niedrige Thür oben mit einem wagerechtem Kämpfer, üer diesem sitzt dann ein schmales durch Sprossen getheiltes Oberlicht. Gelegentlich, doch keineswegs oft, kommt an Fenstern und Thüren Farbe vor, am häufigsten und schon bei einfacheren Ausführungen an den Fensterläden. Sonst bleibt in Masuren stets das Holzwerk so wie es ist, ohne schützenden Anstrich stehen. Ein eigenthümliches Ziermotiv besteht darin, daß unter die Nägel kleine Weißblechstückchen gelegt werden, zur besonderen Betonung jedes einzelnen Nagelkopfes. Diese Plättchen, meist von einfacher Form (Viereck, Kreis, Stern, Herz), werden auch gelegentlich frei behandelt, bis zur Anwendung thierischer und menschlicher Figuren. Besonders eigenartig sind in Masuren die Thore und Einfahrten zu den Gehöften ausgebildet. Verschiedene Formen sind zu unterscheiden. Bei der ersten führt der Weg, getrennt nach Wagen= und Fußgängerverkehr, durch ein regelrechtes kleines Gebäude, welches auch noch anderen wirtschaftlichen Zwecken dient (Tafel 14, Fig.9, 10; Tafel 16, Fig. 15). Dabei kann, wie in unserem Beispiel, die Duchfahrt die Hauptsache sein (Dluggen, Gollupken, Willkassen), ganz ebenso häufig sind aber die Wirtschaftsräume die Hauptsache, und dann liegt die Duchfahrt meist im einen Ende des Gebäudes (Gollupken, Zielasen). Bei der zweiten Form handelt es sich um eine überdache Einfahrt im eigentlichen Sinne, vielfach mit einfach verziertem Pfostenwerk und Zierverbretterung des der Straße zugekehrten Giebels. Beide kommen nur im Norden des Landes vor (Taf. 14, Fig. 1, 2, 4). Die dritte, weitaus häufigste, im Süden sogar allein auftretende Form besteht aus einem einfachen Thorweg. Dem Hause zunächst ist eine kleine für Fußgänger bestimmt Schlupfthür angeordnet und daneben der große Thorweg für den Wagenverkehr. Thüren und Pfostenwerk sind einfach, nur der obere, abschließende Balken hat auch wohl ein schlichtes Profil. Das Bemerkenswertheste an der Anlage ist, daß das Feld, welches sich durch den Höhenunterschied zwischen dem Wagen= und dem Fußgängerthore über dem letzteren ergiebt, mit den verschiedenartigsten reizvollen Formen von Dokkenmotiven ausgefüllt wird, deren Gestaltung sich gelegentlich der menschlichen Figur soweit annähert, daß man geradezu an die alte Entstehung des Wortes erinnert wird (Tafel 16, Fig. 18-24). Eine kleine Insel rein russischer Kultur, die sich in Masuren befindet, darf wenigsten mit einem Wort erwähnt werden. Zur Zeit Friedrich Wilhelm III. ist in den Kreis Sensburg die griechisch=katholische Sekte der Philipponen eingewandert und hat sich um Eckertsdorf und Schönfeld angesiedelt. Sie wohnen in Blockhäusern, die sich nur wenig von den masurischen unterscheidet, nur sind besonders die älteren aus ganzen Rundhölzern erbaut. Bemerkenswerth ist die außerordentliche Kleinheit und geringe Zahl der Fenster, kaum eins geht nach der Straße und auch nach der Hofseite sind nur wenige ganz kleine angebracht. Der sehr breite Ofen mit russischer Röhre dient auch als Herd. Dampfbäder, die die Philipponen sehr lieben, pflegen in unmittelbarer Nähe in besondern kleinen Gebäuden untergebracht zu sein. Ihre aus Rußland herübergebrachten Grabkreuze nach orthodoxem Ritus sind die einzige vielleicht erwähnenswerthe Grabmalform in Masuren. Im übrigen Lande hat sie nichts besonders Karakteristisches. |
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